Wahlen in Spanien – Auswirkungen des Wahlsystems

Wahlen in Spanien – Auswirkungen des Wahlsystems 1

Betrachtet man die Zahl der Stimmen, die die PSOE und die PP bei der Wahl zum Kongress am 23. Juli 2023 erhalten haben, so ergibt sich fast ein Patt. Dennoch liegt die PP nach Sitzen gerechnet, weit vor der PSOE. Und auch Vox hat mit nur knapp 20.000 Stimmen mehr gegenüber Sumar, zwei Sitze mehr erzielt. Um das zu verstehen, muss man sich mit dem spanischen Wahlsystem auseinandersetzen.

Ein paar Zahlen

Insgesamt haben von 37.466.432 Wahlberechtigten 24.743.612 ihre Stimmen abgegeben. Damit lag die Wahlbeteiligung bei 70,4% und damit um 4,2% höher als bei der letzten Wahl 2019, aus der die linke Koalitionsregierung hervorging.

Auf die Parteien gerechnet lag die Stimmdifferenz zwischen 2023 und 2019 wie folgt:

ParteiStimmen 2023Stimmen 2019Gewinn/Verlust zu 2019
PP8.091.8405.047.0403.044.800
PSOE7.760.9706.792.199968.771
Vox3.033.7443.656.979-623.235
Sumar3.014.0063.701.670-687.664

Der enorme Zuwachs der PP erklärt sich zum Teil aus einem historisch schlechten Ergebnis von 2019 und der Tatsache, dass diesmal die Ciudadanos, die 2019 noch 1.650.318 Stimmen erhielten und dem rechten Block zu zurechnen waren, diesmal nicht mehr angetreten sind,

Auch die PSOE hat an Stimmen zugelegt, aber insgesamt ist Spanien blau geworden. In den meisten der 52 Wahlkreisen lag 2023 die PP vorne.

Wahlen in Spanien – Auswirkungen des Wahlsystems 2

Das Wahlsystem zum Kongress

Der spanische Kongress setzt sich aus 350 Sitzen zusammen, die in 52 Provinzen (vergleichbar unseren Landkreisen) gewählt werden. Dabei werden zunächst jeder Provinz zwei Sitze zugeordnet. Eine Ausnahme bilden Ceuta und Melilla, denen nur einen Sitz zugeordnet wird. Die übrigen 248 Sitze (350 – 102) werden nach der Bevölkerungszahl der Provinzen aufgeteilt. Daraus ergeben sich die für jede Provinz zu vergebenden Sitze. Für jede Provinz stellen die Parteien separate Listen auf, die gewählt werden können. Eine Persönlichkeitswahl wie in der Bundesrepublik, wo pro Wahlkreis Personen gewählt werden können, gibt es im spanischen Wahlrecht nicht. Die Wahlberechtigten wählen ihre bevorzugte Liste, deren Kandidatinnen je nach Anzahl der Stimmen, die die Liste erhalten hat, von Listenplatz 1 bis x ins Parlament einziehen. Die Sitzvergabe erfolgt nach dem D´Hondtschen Verfahren, welches an sich schon größere Parteien bevorzugt. Sind darüber alle Sitze in einer Provinz vergeben, so verfallen die restlichen Stimmen dieser Provinz. Überhangsmandate oder Ähnliches gibt es nicht.

Das Wahlrecht lässt eine Ungleichheit zwischen den Provinzen zu, da es keine zahlenmäßige Übereinstimmung zwischen der Bevölkerung und den Sitzen in den Provinzen, also den Wahlkreisen, gibt. Je nach Provinz repräsentiert ein Sitz, eine unterschiedliche Anzahl von Einwohnern. In der Praxis benötigen die Parteien in den „kleinen“ Provinzen somit weniger Stimmen, um einen Sitz zu gewinnen, was die Verhältnismäßigkeit des Systems untergräbt. In Soria beispielsweise wird ein Abgeordneter pro 44.188 Wähler gewählt, während in Madrid ein Sitz pro 182.441 Wähler*in vergeben wird. Nach diesem System ist die Stimme eines Wählers in Soria viermal mehr „wert“ als in Madrid.

Landesweit ergibt sich daraus ein eklatantes Missverhältnis zwischen Provinzen mit höherer und geringerer Bevölkerungsanzahl und begünstigt die rechten Parteien, die traditionell auf dem Land (den Provinzen mit den geringeren Bevölkerungszahlen) stärker sind. Im Ergebnis errang so die PP im Durchschnitt pro 60.000 Stimmen einen Sitz, während Sumar dafür etwa 97.000 Stimmen benötigte.

ParteiStimmen 2023benötigte Stimmen/Sitz
PP8.091.84059.499
PSOE7.760.97063.615
Vox3.033.74491.932
Sumar3.014.00697.226

Wenn jede Stimme gleich zählen, würde…

Was würde passieren, wenn die 350 Sitze in einem einzigen Wahlkreis verteilt würden? Die spanische Zeitung elDiario.es hat mal durchgerechnet, wie die Sitzverteilung dann aussehen würde.

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Dieses System begünstigte (im Vergleich zum derzeitigen System) eher die kleineren Parteien, die größere Schwierigkeiten haben, in kleinen Provinzen in den Kampf um die Sitze einzutreten. Aber es wird vorerst ein Gedankenspiel bleiben.